Der Herzlfresserweg in Kindberg: Auf den Spuren einer historischen Mordserie

In der malerischen Gemeinde Kindberg, eingebettet in die sanften Hügel der Obersteiermark, verbirgt sich hinter der idyllischen Fassade die Geschichte einer der grausamsten Mordserien der steirischen Geschichte. Der „Kindberger Herzlfresserweg“ führt Besucher auf den Spuren des berüchtigten Serienmörders Paul Reininger, der Ende des 18. Jahrhunderts die Region in Angst und Schrecken versetzte.
Die erschütternde Geschichte des „Herzlfressers“
Ende des 18. Jahrhunderts erschütterte eine Serie brutaler Morde die beschauliche Region um Kindberg. Der Knecht Paul Reininger, später als „Herzlfresser“ bekannt, tötete über einen Zeitraum von sieben Jahren sechs Frauen und Mädchen. Was seine Verbrechen besonders grausam machte: Er entnahm seinen Opfern die Herzen und verzehrte sie teilweise, in dem wahnhaften Glauben, dies würde ihn mit übernatürlichen Kräften ausstatten und ihn unsichtbar machen können.
Besonders tragisch war das Schicksal seines letzten Opfers, der Dienstmagd Magdalena Angerer. Sie hatte gerade ihren Brautkranz für ihre bevorstehende Hochzeit abgeholt, als sie dem Mörder in die Hände fiel – ein erschütterndes Detail, das die Brutalität und Sinnlosigkeit dieser Verbrechen unterstreicht.
Die Aufklärung der Mordserie
Nach Hinweisen aus der Bevölkerung wurde Reininger schließlich gefasst. Bei seiner Verhaftung gestand er nicht nur den Mord an Magdalena Angerer, sondern auch fünf weitere Morde, darunter die Tötung eines erst achtjährigen Mädchens. In einer Truhe fand man die blutigen Kleider seiner Opfer, verschiedene persönliche Gegenstände und, besonders erschütternd, die menschlichen Herzen.
Am 24. April 1786 wurde Paul Reininger zum Tode verurteilt. Interessanterweise wurde dieses Urteil später in eine Züchtigungsstrafe umgewandelt – ein Hinweis auf die sich wandelnden Rechtsauffassungen im Zeitalter der Aufklärung. Nach insgesamt 100 Stockhieben wurde er in den berüchtigten Kasematten am Grazer Schlossberg eingekerkert, wo er bereits wenige Monate später an den unmenschlichen Haftbedingungen verstarb.
Der Kindberger Herzlfresserweg heute
Heute erinnert in Kindberg ein thematischer Wanderweg an diese düstere Episode der Regionalgeschichte. Der „Kindberger Herzlfresserweg“ beginnt beim Parkplatz des örtlichen Freibades und führt auf einer Strecke von 5,7 Kilometern bergauf entlang des malerischen Möstlinggrabens über den Lammerkogel. Der Weg führt an den historischen Schauplätzen der Mordserie vorbei, die mit kleinen Marterln (traditionellen Gedenkstätten) gekennzeichnet sind.
Die Wanderung endet beim Alpengasthof Pölzl, wo Besucher nach der Auseinandersetzung mit diesem düsteren Kapitel der Geschichte bei regionalen Spezialitäten neue Kraft schöpfen können. Der Weg verbindet somit historisches Gedenken mit einem Naturerlebnis in der reizvollen Landschaft der Obersteiermark.
Kindberg und die Region: Mehr als nur eine düstere Geschichte
Die Marktgemeinde Kindberg liegt im obersteirischen Mürztal, etwa 30 Kilometer nordöstlich der Landeshauptstadt Graz. Die Region ist geprägt von sanften Hügeln, ausgedehnten Wäldern und dem Fluss Mürz, der dem Tal seinen Namen gibt.
Kindberg selbst blickt auf eine lange Geschichte zurück. Erstmals urkundlich erwähnt wurde der Ort im Jahr 1232. Das Wahrzeichen der Stadt ist das imposante Schloss Kindberg, das im 16. Jahrhundert erbaut wurde und heute als Veranstaltungsort dient. Die historische Altstadt mit ihren gut erhaltenen Bürgerhäusern und dem markanten Hauptplatz lädt zum Flanieren ein.
Die Region um Kindberg bietet zahlreiche Freizeitmöglichkeiten. Neben dem Herzlfresserweg gibt es ein gut ausgebautes Netz an Wander- und Radwegen, die durch die reizvolle Landschaft führen. Im Winter locken die nahegelegenen Skigebiete Stuhleck und Semmering Wintersportler an.
Kulturelles Erbe und Brauchtum
Die Obersteiermark ist reich an kulturellem Erbe und lebendigem Brauchtum. Traditionelle Feste wie das „Aufsteirern“ oder der „Kindberger Kirtag“ werden mit großem Engagement gepflegt. Die regionale Küche mit Spezialitäten wie Steirerkäse, Kernöl und verschiedenen Wildgerichten erfreut sich großer Beliebtheit.
In Kindberg und Umgebung finden sich zahlreiche historische Zeugnisse, von mittelalterlichen Kirchen bis hin zu Industriedenkmälern aus der Zeit der frühen Industrialisierung. Die Region war lange Zeit vom Bergbau und der Eisenverarbeitung geprägt, was sich in vielen kulturellen und architektonischen Besonderheiten widerspiegelt.
Der Herzlfresserweg im Kontext der „Dark Tourism“
Der Kindberger Herzlfresserweg lässt sich dem Phänomen des „Dark Tourism“ zuordnen – einer Form des Tourismus, bei der Orte besucht werden, die mit Tod, Leid oder Katastrophen verbunden sind. Solche Angebote erfüllen verschiedene Funktionen: Sie dienen dem historischen Gedenken, ermöglichen eine Auseinandersetzung mit schwierigen Themen und befriedigen ein menschliches Grundbedürfnis nach dem Verstehen des Unbegreiflichen.
Im Gegensatz zu reiner Sensationslust bietet der Herzlfresserweg die Möglichkeit, sich mit einem historischen Ereignis auseinanderzusetzen, das die Region geprägt hat. Die Kombination aus Naturerlebnis und historischer Erinnerung schafft einen Rahmen, in dem Besucher über Themen wie Gewalt, Justiz und gesellschaftliche Veränderungen nachdenken können.
Praktische Informationen für Besucher
Der Herzlfresserweg ist gut ausgeschildert und für Wanderer mit durchschnittlicher Kondition geeignet. Die Gehzeit beträgt etwa 2-3 Stunden, je nach Tempo und Verweildauer an den einzelnen Stationen. Festes Schuhwerk und wetterfeste Kleidung sind empfehlenswert, da der Weg teilweise über unebenes Gelände führt.
Die Anreise nach Kindberg ist sowohl mit dem Auto als auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln problemlos möglich. Mit dem Auto erreicht man den Startpunkt des Weges über die Adresse „Parkplatz Freibad Kindberg, August-Musger-Gasse 3“. Der nächste E-Ladepunkt für Elektrofahrzeuge befindet sich am Kirchplatz 2 in Kindberg, etwa 500 Meter vom Startpunkt entfernt.
Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreisen möchte, kann die S-Bahn S1 ab Graz Richtung Mürzzuschlag nutzen und an der Haltestelle Kindberg aussteigen. Von dort sind es etwa 15 Gehminuten zum Startpunkt des Wanderweges.
Weitere Sehenswürdigkeiten in der Umgebung
Ein Besuch des Herzlfresserweges lässt sich gut mit der Erkundung anderer Sehenswürdigkeiten in der Region verbinden:
- Das Schloss Kindberg mit seinem sehenswerten Innenhof und regelmäßigen kulturellen Veranstaltungen
- Die historische Altstadt von Kindberg mit ihren gut erhaltenen Bürgerhäusern
- Das Naturschutzgebiet Mürzer Oberland mit seiner vielfältigen Flora und Fauna
- Die Wallfahrtskirche Maria Rehkogel, ein beliebtes Ausflugsziel mit herrlichem Panoramablick
- Die Stadt Mürzzuschlag mit dem Brahms-Museum und dem Wintersportmuseum
Fazit: Geschichte erleben auf dem Herzlfresserweg
Der Kindberger Herzlfresserweg bietet eine ungewöhnliche Möglichkeit, sich mit einem düsteren Kapitel der regionalen Geschichte auseinanderzusetzen. Die Kombination aus Naturerlebnis und historischem Gedenken schafft einen Rahmen, in dem Besucher über Themen wie Gewalt, Justiz und gesellschaftliche Veränderungen nachdenken können.
Die kleinen Marterln entlang des Weges erinnern an die Opfer einer grausamen Mordserie und bewahren ihr Andenken. Gleichzeitig zeigt die Geschichte des „Herzlfressers“ auch, wie sich Rechtsauffassungen und der Umgang mit Gewaltverbrechen im Laufe der Zeit gewandelt haben.
Ein Besuch des Herzlfresserweges ist mehr als nur eine Wanderung – er ist eine Reise in die Vergangenheit, die zum Nachdenken anregt und gleichzeitig die Schönheit der obersteirischen Landschaft erleben lässt. Die Verbindung von düsterer Geschichte und idyllischer Natur schafft einen eindrucksvollen Kontrast, der den Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis macht.
Der Herzlfresserweg in Kindberg führt auf den Spuren eines Serienmörders des 18. Jahrhunderts durch die malerische Landschaft der Obersteiermark.